ein Bericht von Svea Letsch
Als ich, blauäugig wie die meisten Backpacker in meinem Alter, nach Australien aufbrach, hatte ich noch keine Ahnung wie und wo ich einen Job finden wollte. Gewissermaßen war es auch so, dass mein Job mich gefunden hat.
Durch Zufall landete ich in Maroochydore an der Sunshine Coast in einem recht, nennen wir es, heruntergekommenen Hostel. Ich entschied mich trotzdem einige Tage zu bleiben, da es eventuell Arbeit geben könnte und die Leute nett waren. Und siehe da, noch an meinem ersten Abend rief ein Farmer an und sagte er brauche noch jemanden um im Hinterland die Passionfruitfelder für die Saison vorzubereiten. Dieser Jemand war ich.
Nach zwei Wochen auf Keiths Farm, die mir und zwei anderen Backpackern wirklich Spaß gemacht hatten, waren die Felder so weit fertig. Es musste also nur noch darauf gewartet werden, dass die Pflanzen wuchsen. Da Keith aber wusste, dass ich weiterhin nach Arbeit suchte empfahl er mich der großen, örtlichen Gärtnerei, die sich auf Obst- und Gemüsepflanzen spezialisiert hat. Eigentlich brauchten diese gerade keine weiteren Backpacker, aber nahmen mich trotzdem netterweise erstmal auf. Die kommenden Wochen arbeitete ich hart im immer heißer werdenden Sommer in Queensland um mich zu beweisen und bloß nicht meinen Job zu verlieren.
6 Monate Obstpflanzen, Tierchen und Monsun - der Arbeitsalltag
Meine Tagesabläufe waren anfangs wirklich eintönig: "Weeding, Watering, Fertilizing, Grading" hieß es immer wieder an der großen Wandtafel, an der die Aufgaben für den Tag verteilt wurden. Übersetzt sind das einfache Aufgaben zur Pflanzenpflege wie Unkraut jäten, düngen oder die Pflanzen nach der Größe sortieren. Oft war man in den riesigen Gewächshäusern allein und die Langeweile allgegenwärtig. Musik hören war trotzdem nicht erwünscht. Wenn man mal einen Job zu zweit machen durfte, war der Tag folglich sofort gerettet.
Wenig später begann zu allem Übel auch noch der Monsun an der Sunshine Coast. Teilweise konnten wir tagelang nicht arbeiten, weil die Täler der Gärtnerei überflutet waren. Das war dann zwar ein willkommener Day-Off, aber bezahlt wurde man natürlich nicht. Wenn wir arbeiten konnten, kam ich mit vom Wasser aufgeschwollenen Fingern und Zehen heim. Hat schon mal jemand den ganzen Tag im strömenden Regen auf dem Boden gehockt, um Unkraut zu jäten? Nein? Ist auch nicht zu empfehlen.
Mit der aufkommenden Avocado-Saison wandelten sich meine Aufgaben, ab jetzt hieß es acht Stunden täglich mit mehreren Leuten Avocado-Kerne aus den Früchten holen um diese zu waschen, zu sortieren und anschließend einzupflanzen. Als einige Wochen später die Mangozeit begann, ging das selbe Spiel wieder von vorne los.
Ab diesem Zeitpunkt wurde ich in einem anderen Team eingeteilt und die Arbeit wandelte sich zum Positiven. Mein neues Team kümmerte sich um die Aussaat und die Pflege der jüngeren Pflanzen. Ich durfte jetzt mit anderen Backpackern und fest angestellten Australiern arbeiten und über den Tag verteilt verschiedene, kurzweiligere Aufgaben erledigen. Ich ging jetzt wirklich gern zur Arbeit, denn die Kollegen waren super und es machte mir Spaß, etwas handwerkliches zu tun.
Ein großer Pluspunkt war auch, dass wir meistens im schattigen und trockenen Shed arbeiteten und noch dazu auf Tischen, was nach dem wochenlangen Bücken und auf dem Boden hocken eine unfassbare Erleichterung darstellte. Ich hatte das Gefühl, man musste sich erst beweisen, bis man sich für die besseren Aufgaben "qualifiziert" hatte.
Dieser positive Vibe zog sich durch, bis ich nach fünf Monaten in der Gärtnerei eine Auszeit nahm, um Reisen zu gehen. Als ich nach zwei entspannten, aufregenden Monaten nach Maroochydore zurückkehrte, durfte ich gleich den nächsten Tag wieder in der Gärtnerei anfangen und habe den letzten Monat noch in meinem vorherigen Team gearbeitet. Insgesamt bin ich also die vollen 6 Monate, die beim Working Holiday Visum in einem Betrieb zugelassen sind, bei der Gärtnerei geblieben. Es war vor allem anfangs nicht immer einfach, aber ich bin trotzdem sehr froh, diesen Job gefunden zu haben, auch weil es mein second year visa gesichert hat.
Entlohnt wurde ich anfangs knapp über dem damaligen Mindestlohn, im Laufe der Zeit erhielt ich aber Gehaltserhöhungen. Die Arbeitszeiten glichen einem normalen 9 to 5 Job, was es mir einfach machte meine Reisekasse zu kalkulieren.
Die kleinen Tücken
Wie in jedem Job gab es auch in der Gärtnerei die eine oder andere Gefahr, jedoch unterscheiden sich diese nicht allzu sehr von den Gefahren beim Fruitpicking.
Mindestens jeder Zweite hatte in seiner Nurserylaufzeit mit vorher unbekannten Allergien zu kämpfen. Hauptsächlich, wenn es an die Mangos oder die Feigen ging, gab es zahlreiche Opfer der ätzenden Flüssigkeiten, die aus den Pflanzen der eigentlich zuckersüßen Früchte kommen. Wenn die Flüssigkeit auf die Haut kommt und danach die Sonne darauf scheint, entstehen fiese Brandblasen, die irgendwann schmerzhaft aufplatzen und sich schwarz verfärben.
Außerdem hatte ich mit juckenden Ausschlägen aufgrund des Düngers, den ich tagelang mit bloßen Händen austeilte, zu kämpfen. Das sind wohl die alltäglichen Wehwehchen, mit denen jeder, der mit Obstpflanzen zu tun hat, etwas anfangen kann.
Nächster Punkt: Schlangen. Diese sind in Australien natürlich allgegenwärtig, im ruhigen Hinterland, in dem die Gärtnerei inmitten grüner Hügel, Wald und Wiesen liegt, fühlen sie sich besonders wohl. Es war schon an der Tagesordnung, dass wir riesige Schlangen, die von einem Gabelstapler überfahren wurden, entsorgen mussten.
Auch die kleinen grünen Baumschlangen und zahlreiche andere Krabbeltiere begegneten mir bei der Pflanzenpflege sehr oft, erschreckt habe ich mich trotz deren Harmlosigkeit jedes Mal, auch wenn ich tendenziell keinen Ekel vor Spinnen habe.
Leben in einem inoffiziellen Working Hostel
Während der ganzen Zeit lebte ich mit den anderen Backpackern in dem oben bereits erwähnten Hostel und auch wenn Sauberkeit und Ausstattung absolut zu Wünschen übrig ließen, habe ich mich persönlich dort wohl gefühlt, was aber hauptsächlich an den anderen Bewohnern lag.
Es waren viele Asiaten dort, die das Working Holiday Visum eher nutzten, um in Australien gutes Geld zu verdienen und dieses mit nach Hause zu nehmen, dementsprechend sparsam lebten die meisten von ihnen. Ganz im Gegensatz zu den Europäern und Kanadiern, die von dem hart erarbeiteten Geld gern und häufig auf Wochenendtrips in die Umgebung fuhren. Wir waren mehrere Male in Brisbane, oft zum Surfen an den wunderschönen Stränden zwischen Maroochydore und Noosa und nicht zu vergessen: Meine allerliebsten Wochenendausflüge gingen nach Byron Bay.
Dadurch, dass alle längerfristig einen Job hatten, viele miteinander arbeiteten und danach den Feierabend zusammen genossen, hat es sich angefühlt, als hätte ich eine neue Familie gefunden, was mir auch mein erstes Weihnachten weit weg von meiner Familie zu hause sehr erleichterte.
Was ich an dem Hostel toll fand war, dass man wöchentliche Miete entrichtete und gegen geringen Aufpreis die Hostel eigenen Fahrzeuge nutzen konnte, um zur Arbeit zu gelangen. Preislich war es anfangs absolut fair, wir zahlten fürs Wohnen und die Nutzung der Autos ca. 150 AUS $ die Woche, was sich aber, als die Besitzer wechselten, gewandelt hat. Fast monatlich wurde die Miete erhöht, was ich mir aufgrund meines relativ gut bezahlten, sicheren Jobs zum Glück leisten konnte und trotzdem noch einige hundert AUS $ in der Woche fürs Reisen zur Seite legen konnte.
Einigen Leuten, die noch länger dort geblieben sind, habe ich leider gehört, dass sich die Zustände zum Schlechteren gewandelt haben. Ich hatte wohl das Glück den Anfang vom Ende eines der letzten guten Working Hostels in Australien kennen lernen zu dürfen.
Dieser Artikel basiert auf Erfahrungen aus den Jahren 2012 und 2013.